Das Lösen der relativistischen Bewegungsgleichung einer gleichförmig beschleunigten Rakete habe ich auf drei Seiten aufgeteilt:
Auf dieser Seite geht es um das Lösen der Differentialgleichung und das Berechnen der Geschwindigkeit als Funktion der Erdzeit.
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Bewegungsgleichung der speziellen Relativitätstheorie | |||||||||||||||
wobei' |
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Für die Berechnungen gelten folgende Vorgaben und Vereinfachungen:
Die Beschleunigung a der Rakete und die dafür benötigte Schubkraft F sind nur im Koordinatensystem KS' der Rakete konstant. Um Kraft und Beschleunigung ins ruhende System umzurechnen, muss ich die Lorentz-Transformation \Lambda_v anwenden. Ich mache ab jetzt die Vereinfachung, dass es nur noch eine Raum-Dimension gibt:
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\mathbf{K} = \pmatrix{ K^0 \\ K^1 } = \Lambda_v \cdot {\mathbf{K}}' = \pmatrix{
\gamma & \gamma {v \over c } \\
\gamma {v \over c} & \gamma \\
} \cdot \pmatrix{ {K^0}' \\ {K^1}' } = \pmatrix{
\gamma & \gamma {v \over c } \\
\gamma {v \over c} & \gamma \\
} \cdot \pmatrix{ 0 \\ F }
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wobei' |
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Wenn ich die Lorentz-Transformation \Lambda_v anwende erhalte ich die Kraftkomponenten im ruhenden System:
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K^0 = \gamma \cdot \left( {K^0}' + {v \over c} \cdot {K^1}' \right) = \gamma \cdot {v \over c} \cdot F = { v \over c \cdot \sqrt{ 1 - { v^2 \over c^2 } } } \cdot F
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K^1 = \gamma \cdot \left( {K^1}' + {v \over c} \cdot {K^0}' \right) = \gamma \cdot F = { 1 \over \sqrt{ 1 - { v^2 \over c^2 } } } \cdot F
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Die Zeitkomponente der Kraft K^0 entspricht der Leistung (Arbeit pro Zeit) und hat für meine Berechnungen keine Bedeutung. Die X-Komponente der Kraft K^1 kann ich jetzt in die relativistische Bewegungsgleichung einsetzen. Die relativistische Bewegungsgleichung lautet:
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Mich interessiert nur die X-Komponente, also:
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K^1 = m \cdot { \mathrm d u^1 \over \mathrm d \tau }
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Links kann ich K^1 = \gamma\cdot F einsetzen und rechts kann ich \mathrm d \tau durch \mathrm d t / \gamma ersetzen:
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\color{red}{\gamma} \cdot F = m \cdot \color{red}{\gamma} \cdot {\mathrm d \over \mathrm d t} \, u^1 \qquad\Rightarrow\qquad F = m \cdot {\mathrm d \over \mathrm d t}\, u^1
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Auf jeder Seite konnte ich ein \gamma streichen. Laut Formel (5) Vierergeschwindigkeit gilt: u^1 = \gamma \cdot v_x = \gamma \cdot v. Dies kann ich oben einsetzen und erhalte:
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Um das Differential in (8) rechts zum Verschwinden zu bringen, integriere ich beide Seiten:
(9) |
\int_0^T \color{green}{F} \ \mathrm d t = \int_0^T \color{blue}{ {\mathrm d \over \mathrm d t} \, \left( { m \cdot v(t) \over \sqrt{ 1 - { v(t)^2 \over c^2 } } } \right) } \ \mathrm d t
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Linke Seite integrieren:
(10) |
\int_0^T \color{green}{F} \ \mathrm d t = \left[ F \cdot t \right] \Big|_0^T = \left[ F \cdot T \right] - \left[ F \cdot 0 \right] = \color{red}{ F \cdot T }
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Rechte Seite integrieren:
(11) |
\int_0^T \color{blue}{ {\mathrm d \over \mathrm d t} \, \left( { m \cdot v(t) \over \sqrt{ 1 - { v(t)^2 \over c^2 } } } \right) } \ \mathrm d t = \left[ { m \cdot v(t) \over \sqrt{ 1 - { v(t)^2 \over c^2 } } } \right]\Bigg|_0^T = \left[ { m \cdot v(T) \over \sqrt{ 1 - { v(T)^2 \over c^2 } } } \right] - \left[ { m \cdot v(0) \over \sqrt{ 1 - { v(0)^2 \over c^2 } } } \right]
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Da die Geschwindigkeit am Anfang Null ist gilt v(0) = 0 und das rechte Integral ist somit schliesslich:
(12) |
\int_0^T \color{blue}{ {\mathrm d \over \mathrm d t} \, \left( { m \cdot v(t) \over \sqrt{ 1 - { v(t)^2 \over c^2 } } } \right) } \ \mathrm d t = \color{red}{ m \cdot v(T) \over \sqrt{ 1 - { v(T)^2 \over c^2 } } }
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Schliesslich kann ich die roten Resultate von (10) und (12) einander wieder gleichsetzen:
(13) |
F \cdot T = { m \cdot v(T) \over \sqrt{ 1 - { v(T)^2 \over c^2 } } }
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Wenn ich in (13) die Kraft F durch die Beschleunigung F = m \cdot a ausdrücke, kann ich die Masse m auf beiden Seiten streichen und ich habe eine Formel, in der nur noch a, c, v(T) und T vorkommt:
(14) |
\color{red}{m} \cdot a \cdot T = { \color{red}{m} \cdot v(T) \over \sqrt{ 1 - { v(T)^2 \over c^2 } } } \qquad\Rightarrow\qquad a \cdot T = { v(T) \over \sqrt{ 1 - { v(T)^2 \over c^2 } } }
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Diese Formel kann ich nun nach v(t) auflösen (ich benne T wieder in t um) und erhalte schliesslich die Geschwindigkeit als Funktion der Zeit, womit ich die Lösung der Bewegungsgleichung habe.
Für konstante Beschleunigung a und Startgeschwindigkeit v_0 = 0 erhalte ich:
(21) |
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wobei' |
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Für die Geschwindigkeit v an der Position s der Reise von der Erde aus gemessen wird in der Rakete jeweils der gleiche Wert wie auf der Erde gemessen. Die Uhren auf der Erde und in der Rakete zeigen an dieser Position jedoch verschiedene Zeiten an. Wir können die Geschwindigkeit auch in Bezug zur Raketenzeit \tau berechnen, wenn wir den Zusammenhang zwischen t und \tau verwenden (siehe Umrechnung Raketenzeit in Erdzeit):
(22) |
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mit |
t(\tau) = { c \over a } \cdot \sinh\left( { a \cdot \tau \over c } \right)
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wobei' |
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Betrachten wir die Formel (21) etwas genauer. Mich interessiert insbesondere, wie sich die Geschwindigkeit als Funktion der Zeit verhält, wenn die Rakete noch viel langsamer als Lichtgeschwindigkeit fliegt und ob die Rakete nach dieser Formel die Lichtgeschwindigkeit jemals erreicht oder nicht.
Von nichtrelativistischer Geschwindigkeit spricht man, wenn eine Geschwindigkeit v viel kleiner als Lichtgeschwindigkeit c ist. Mathematisch schreibt man das:
Um herauszufinden, wie sich die Formel (21) verhält, wenn v \ll c gilt, müssen wir schauen, ob es in der Formel Terme gibt, die in diesem Fall vernachlässigt werden können. In der Formel (21) kommt nach dem Gleichheitszeichen kein v vor, das wir mit c vergleichen könnten. Aber es gilt: v = a \cdot t und a \cdot t kommt rechts vom Gleichheitszeichen vor. Wir schauen daher, wie sich die Formel verhält, wenn a \cdot t \ll c ist.
Für diese Abschätzung ist der linke Teil der Formel (21) hilfreich:
(23) |
v(t) = { a \cdot t \over \sqrt{ { (a \cdot t)^2 \over c^2 } + 1 } }
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Betrachten wir den Bruch in der Wurzel. Wenn a \cdot t \ll c ist, zum Beispiel sei a \cdot t = 0.001 \cdot c, dann gilt:
(24) |
{ (a \cdot t)^2 \over c^2} = {(0.001 \cdot c)^2 \over c^2} = {0.000001 \cdot c^2 \over c^2} = 0.000001 \ll 1
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Wir sehen, dass dieser Bruch für kleine Geschwindigkeiten sehr viel kleiner als 1 wird und deshalb gegenüber der 1 in der Wurzel vernachlässigt werden kann. Wir erhalten also als Grenzfall für kleine Geschwindigkeiten:
(25) |
v(t) = { a \cdot t \over \sqrt{ { (a \cdot t)^2 \over c^2 } + 1 } } \approx { a \cdot t \over \sqrt{ 1 } } = a \cdot t \qquad \Big|\ a \cdot t \ll c
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Die resultierende Formel v(t) = a \cdot t ist genau die Formel nach Newtons Theorie. Newtons Formel ist also in der relativistischen Formel als Grenzfall für langsame Geschwindigkeiten enthalten. Erst bei hohen Geschwindigkeiten kommen Terme zum tragen, die eine Abweichung von Newtons Vorhersagen ergeben.
Was passiert nun, wenn wir sehr, sehr lange beschleunigen? Nach (25) könnten wir beliebige Geschwindigkeiten weit über der Lichtgeschwindigkeit erhalten, wenn wir nur lange genug beschleunigen.
Nicht so jedoch bei der relativistischen Formel (21):
Für die Betrachtung, was passiert, wenn wie sehr, sehr lange beschleunigen, ist der rechte Teil der Formel (21) hilfreich:
(26) |
v(t) = { 1 \over \sqrt{ {1 \over (a \cdot t)^2} + { 1 \over c^2}}}
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Wenn wir sehr lange beschleunigen bedeutet das, dass t bzw. a \cdot t sehr gross werden, im Extremfall gegen Unendlich streben. Dann wird der erste Bruch unter der Wurzel 1 / \infty = 0 und wir erhalten als Grenzfall:
(27) |
v(t) \approx { 1 \over \sqrt{ {1 \over \infty} + { 1 \over c^2}}} = { 1 \over \sqrt{ 0 + { 1 \over c^2}}} = { 1 \over \sqrt{ { 1 \over c^2}}} = { 1 \over { 1 \over c}} = c \qquad\Big|\ t \rightarrow \infty
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Wir bekommen also als Grenzfall für unendliche lange Beschleunigung Lichtgeschwindigkeit c. Diese kann also nie ganz erreicht oder gar überschritten werden.
Dies ist eine komplett andere Vorhersage als das Resultat aus Newtons Theorie! Bei Newton gibt es kein Limit für die Geschwindigkeit.
Sie werden in absehbarer Zeit meine eigenen Berechnungen erhalten, welche ich vorher aber noch an Hand Ihrer Berechnungen überprüfen werde. Mein Bericht "Interstellare Raumfahrt", in dem die genannten Berechnungen mit Tabelle enthalten sind, stammt vom Dezember 1977, als ich 49 Jahre alt war.
Zu meiner Person: Geboren 1928. Mathematik und Physik in Marburg/Lahn von 1949 bis 1961. Jetzt auf den Philippinen, DAVAO-City auf MINDANAO.
Ich habe inzwischen folgende Details festgestellt:
Ihre Beziehung (21) ist identisch mit der Beziehung Seite 163 in SEXL/SCHMIDT: "Raum - Zeit - Relativität", 19. bis 21. Tausend 1987, VIEWEG STUDIUM, GRUNDKURS PHYSIK. Das Kapitel 15 heißt : "Grenzen der Weltraumfahrt".
Die Rechnung mit den Werten meiner Tabelle, also nach meinem Formelsatz, führt zu einer Abweichung von −3,846 % für v bei einer Beschleunigungszeit t der Rakete von 1,399 Jahren, bei 10 Meter pro Sekunde Quadrat. 1 Jahr = 3,1536 ·107 s. Das veranlaßt mich nun zur Neuberechnung meiner Tabelle, vorzugsweise nach Ihren Beziehungen, was eine Zeit lang dauern wird.
@Horst Wagner
Ich bin schon gespannt auf Ihre Resultate. Ich habe einen Online-Rechner programmiert, mit dem solche Berechnungen angestellt werden können. Ich habe neu nun auch die intern verwendeten Konstanten ins Formular aufgenommen, sodass man diese auch anpassen kann. Damit lassen sich Berechnungen, die mit unterschiedlichen Konstanten ausgeführt wurden, nachvollziehen und vergleichen.
Flugberechnungen (
Raketenflug Einstein gegen Newton)
Wie ich in meinen beiden ersten Kommentaren ausgeführt habe, habe ich vor Ihnen meinen Bericht von 1977 über "Interstellare Raumfahrt" zuzuschicken. Dies soll per Luftpost geschehen, sodaß ich Ihre Postanschrift benötige. Die Laufzeit der Luftpostbriefe von hier nach Deutschland (PHILIPPINEN) beträgt etwa 3 bis 6 Wochen, in umgekehrter Richtung ebenso lange.
Bei Ihren Rechnungen zur relativistischen Rakete handelt es sich um die vollständigste Darstellung, die ich bisher finden konnte. Dagegen sind Darstellungen in Büchern Schlampereien.
6. Oktober 2012, 2:11 Ortszeit
Sehr geehrter Herr Bislin!
Meine E-Mail stimmt nicht, sodaß Sie mir Ihre Postanschrift nicht übermitteln konnten. So bleibt also für mich die Veröffentlichung meiner Ausführungen von 1977 im Internet. Das allerdings wird noch etwa ein halbes Jahr dauern. Unter Anderem möchte ich die Gültigkeit meiner Rechnungen nachprüfen, mit dem HP 35 S, den ich mir dann Weihnachten schenken lasse.
Gruß! Ihr Wagner
Ich wundere mich, dass Sie zwischen dem Ruhesystem der Rakete und dem der Erde die Lorentz-Transformation anwenden, denn beide bewegen sich nicht geradlinig gleichförmig gegeneinander.
Peter Enders, Sie haben im Prinzip recht. Auf beschleunigte Bezugssysteme müsste die Allgemeine Relativitätstheorie angewandt werden. Solange jedoch die Beschleunigung der Rakete sehr klein ist, wie in unserem Fall, und die Rakete nie sehr nahe an eine grosse Masse kommt, kann die Raumzeit als flach angenähert werden, sodass die Minkowski-Metrik mit der Lorentz-Transformation angewandt werden kann.