Das Lösen der relativistischen Bewegungsgleichung einer gleichförmig beschleunigten Rakete habe ich auf drei Seiten aufgeteilt:
Auf dieser Seite geht es um die Längenkontraktion der Reisestrecke aus Sicht der Rakete und die Berechnung der Raumzeit-Intervalle aus Sicht der Erde und der Rakete.
Wenn man mit all den hergeleiteten Formeln mit Hilfe des Rechenformulars Flugberechnungen (Raketenflug Einstein gegen Newton) einige Beispiele durchrechnet, fällt auf, dass die Astronauten in ihrer Zeit Strecken zurücklegen können, die aus ihrer Sicht nur mit Überlichtgeschwindigkeit zu schaffen wären. Zum Beispiel wird eine 8,5 Lj lange Strecke in nur 4,59 Jahren Astronautenzeit zurückgelegt. Dies wäre aber nur möglich, wenn die Astronauten aus ihrer Sicht mit fast 2-facher Lichtgeschwindigkeit fliegen würden!
Wie ist das möglich? Wo liegt der Hund begraben?
Die Lösung dieses Problems liegt in der Längenkontraktion der speziellen Relativitätstheorie. Bezüglich eines ruhenden Systems werden Strecken eines bewegten Systems in Flugrichtung gestaucht:
(1) | |||||||||||||
wobei' |
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Aus der Sicht der Erde wird die Rakete nach obiger Formel gestaucht, was uns hier aber nicht weiter hilft. Wie sieht die Sache aus der Sicht der Astronauten aus?
Aus der Sicht der Astronauten befinden sie sich in einem ruhenden System (wenn wir die Beschleunigung mal kurz anhalten) und der Weltraum bewegt sich mit der Geschwindigkeit v an ihnen vorüber. Das bedeutet aber, dass der Weltraum aus ihrer Sicht in Flugrichtung gestaucht ist. Die Strecke zu ihrem Ziel ist daher für die Astronauten bei hohen Geschwindigkeiten wesentlich kürzer als für die Erdenbewohner. Obwohl für die Astronauten die Zeit langsamer vergeht als auf der Erde, erreichen sie ihr Ziel in der kürzeren Zeit, ohne die Lichtgeschwindigkeit je überschreiten zu müssen.
Diese Längenkontraktion ist auch der Grund dafür, weshalb die Erdenbewohner und die Astronauten genau dieselbe Lichtgeschwindigkeit messen. Die Geschwindigkeit wird gemessen, indem man die Zeit t misst in der ein Lichtstraht die Strecke l abfliegt. Die Lichtgeschwindigkeit ist dann c = l / t.
Nehmen wir an, auf der Erde und in der Rakete befinden sich je ein Massstab der Länge l. Der Massstab wird in Bewegungsrichtung hingelegt. Um die Lichtgeschwindigkeit zu messen, wird jeweils die Zeit gemessen, die ein Lichtstrahl braucht, um den Massstab zu passieren.
Da von der Erde aus gesehen die Zeit in der Rakete zum Beispiel nur halb so schnell vergeht, passiert der Lichtstrahl für die Astronauten den Massstab in der Hälfte der Erdzeit. Wenn wir davon ausgehen, dass beide Massstäbe gleich lang sind, muss also das Licht in der Rakete doppelt so schnell sein, um den Massstab in der halben Zeit zu passieren. Die spezielle Relativitätstheorie postuliert aber, dass die Lichtgeschwindigkeit in allen Systemen dieselbe ist.
Der Widerspruch lässt sich nur lösen, wenn man akzeptiert, dass der Massstab in der Rakete in diesem Beispiel in Bewegungsrichtung um den Faktor zwei geschrumpft ist. Dann muss das Licht in der Rakete nur noch die Hälfte der Strecke in der halben Zeit zurücklegen.
Es resultiert daraus dieselbe Lichtgeschwindigkeit für alle Beobachter:
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Längenkontraktion | |||||||||||||||||||
(3) |
Zeitdilation | |||||||||||||||||||
(4) | ||||||||||||||||||||
wobei' |
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Ich möchte nun noch berechnen, wie gross die zurückgelegte Strecke aufgrund der Längenkontraktion aus der Sicht der Astronauten ist. Da die Rakete in ihrem System konstant beschleunigt, sind die entsprechenden Formeln recht kompliziert.
Die Geschwindigkeit der Rakete ändert sich laufend. Ich kann die Geschwindigkeit v in Abhängigkeit der Astronautenzeit τ nach der Formel (22) Geschwindigkeit als Funktion der Zeit für jeden Zeitpunkt berechnen:
(5) |
Die momentane Geschwindigkeit v(τ) ist der Quotient der Wegänderung d sR(τ) aus Sicht der Rakete durch die Raketenzeit dτ:
(6) |
Wenn wir beide Seiten integrieren, erhalten wir den aus der Sicht der Rakete zurückgelegten Weg sR(τ) nach Ablauf der in der Rakete angezeigten Zeit τ:
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Nach der Integration erhalte ich die gewünschte Formel:
(12) |
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wobei' |
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Das Raumzeit-Intervall ist eine invariante Grösse. Das heisst, sie muss für zwei Ereignisse in jedem Koordinatensystem denselben Wert haben. Wenn zwei Koordinatensysteme sich unbeschleunigt gegeneinander bewegen und wir nur eine Raumrichtung betrachten, kann das Intervall wiefolgt berechnet werden:
(13) | |||||||||||||||||||
wobei' |
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oder einfacher ausgedückt:
(14) |
Ein Raumzeit-Intervall setzt sich aus zwei Ereignissen zusammen. Ein Ereignis hat immer eine Position und eine Zeit. Position und Zeit beziehen sich immer auf ein bestimmtes Inertialsystem. In jedem Inertialsystem kann der zeitliche und räumliche Abstand zweier Ereignisse unterschiedlich sein, das daraus gebildete Intervall ist aber in allen Inertialsystemen gleich! Man sagt, das Raumzeit-Intervall ist eine invariante Grösse.
Da in unserem Fall die Rakete beschleunigt wird, handelt es sich beim Raketen-System nicht um ein Inertialsystem. In diesem Fall müssen wir das Intervall in lauter infinitesimal kleine Stückchen ds zerlegen und diese Stückchen addieren, d.h. über ds integrieren.
Für einen infinitesimalen Vierer-Vektor dx ist das Intervall allgemein wiefolgt definiert:
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wobei' |
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In unserem Beispiel sind X- und Y-Komponenten gleich Null. Da ich für die X-Komponente das Symbol s verwendet habe, gebe ich dem Intervall den Namen I. Damit wird das Intervall für unser Beispiel:
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wobei' |
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Nachfolgend berechne ich das Raumzeit-Intervall für das Erden-System und das Raketen-System, um zu überprüfen, ob es in beiden Systemen identisch ist:
Als Kurvenparameter kann ich die Erden-Zeit t verwenden, denn ich habe alle nötigen Formeln als Funktion der Zeit t bereits berechnet. Das Intervall I im Erden-System ist:
(17) | |
mit |
(18) | |
und schliesslich:
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Das ist aber bis auf den Faktor c dasselbe Integral wie bei (22) Umrechnung Erdzeit in Raketenzeit. Dessen Berechnung ergibt schliesslich für das Intervall:
(20) |
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Das Raumzeit-Intervall der Rakete bezeichne ich mit I '(T). Bezüglich des Koordinatensystems der Rakete bewegen sich die Astronauten nicht (der Weltraum zieht an ihnen vorbei). Deshalb ist der räumliche Abstand d s'(t) des Intervalls konstant gleich Null. Damit ergibt sich folgende Formel:
(21) | |
mit |
Den verbleibenden Term dτ(t) / dt haben wir in (22) Umrechnung Erdzeit in Raketenzeit berechnet:
(22) |
Wir erhalten damit dasselbe Integral wie bei (19) und damit auch dieselbe Lösung:
(23) |
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Damit ist gezeigt, dass das Intervall in beiden Systemen identisch ist!
Hinweis: Das Intervall I durch c dividiert ergibt die Eigenzeit τ(T) der Rakete zum Zeitpunkt T.
Hallo Walter,
ich habe eine Frage zu Formel [12]. Gibt es eine Chance, diese nach T aufzulösen? Ich habe es versucht, bin aber kläglich gescheitert, weil ich Differenziale und Integrale nur an einfachen Beispielen lösen kann.
Eigentlich möchte ich wissen, wie lange ich als Kirk (Eigenzeit) brauche, um von hier nach alpha Centauri zu gelangen (4 LJ), indem ich bis auf 2 LJ mit 9.81 m/s^2 beschleunige und danach entsprechend abbremse.
Mit freundlichen Grüssen
Heiri